Schreiben der Leipzig-Dresdener Eisenbahn-Compagnie an August Bebel vom 16. Juli 1869 betreffend die Gewährung von Fahrpreisermäßigungen. Zu den organisatorischen Vorbereitungen Bebels gehörte auch die Bemühungen um Fahrpreisermäßigungen für die Delegierten bei der Königlich Sächsischen Staatsbahn und der damals privaten Thüringischen Eisenbahngesellschaft. Noch 40 Jahre später erfüllt dieses Entgegenkommen des Staates und des Privatkapitals gegenüber den Sozialdemokraten Bebel „mit einiger Heiterkeit“, da dies 1910 nicht mehr denkbar gewesen wäre. Mit dieser Fahrpreisermäßigung war allerdings auch wieder erheblicher organisatorischer Aufwand verbunden, da die Eintrittskarten zum Kongreß als Berechtigungsnachweis für die Bahn jeweils auf Anforderung zugeschickt werden mußten.
Zu den einzelnen Epochen sind die im folgenden aufgeführten Themen vorstellbar, deren systematische inhaltliche Entfaltung und konsequente Verknüpfung zu einem Gesamtzusammenhang der Feinkonzeption vorbehalten bleiben muß. Auch wird im Ergebnis dieser Arbeit ein international präsentabler Ausstellungskatalog erstellt.
Frankfurt, dies sagt der Name, diente zunächst als Furt des fränkischen Heerbannes und als militärischer Sammelpunkt gegen Thüringer und Sachsen. Neueste archäologische Funde zeigen, daß der Ort bereits um 700 eine hohe Bedeutung besaß. Spätestens mit der europäischen Synode 794 wertete Karl der Große Frankfurt zu einem der wichtigsten Plätze des Reiches auf. Zum ersten Mal kam „die Welt nach Frankfurt“.
Nachdem Frankfurt im 9. Jahrhundert zentralörtliche Funktionen erfüllt, folgte unter den Saliern eine quasi k”nigslose Zeit, in der sich die Einwohner der aufstrebenden städtischen Siedlung erste Freiräume erkämpften. Mit den Staufern stieg Frankfurt zur zentralen Wahlstadt der deutschen Könige auf und seit dem 16. Jahrhundert wurden an diesem Ort regelmäßig die Könige gekrönt. Gleichzeitig entwickelte das vorwärtsdrängende selbstbewußte Bürgertum die Frankfurter Messe zu einem Zentrum des europäischen Handels.
Bereits in dieser Zeit war die Stadt also ein Verkehrsknotenpunkt im europäischen Fernhandelsnetz. Immer wieder wurden Menschen aus allen Ländern Europas angezogen. Frankfurt ist in dieser Hinsicht auch eine der wenigen Städte, in denen sich fast ununterbrochen eine der größten jüdischen Gemeinde erhielt, die am Ende des 19. Jahrhunderts fest in der Stadt verwurzelt war, Stadtteile im Osten und Westen prägte und in nahezu allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens – in wirtschaftlicher, politischer und kultureller Hinsicht – einen nicht wegzudenkenden Beitrag zur Entwicklung der Stadt leistete.
Doch die starke jüdische Gemeinde war nicht die einzige Besonderheit der Stadt. Im Reformationszeitalter entschied sich die bürgerliche Gemeinde zwar für den lutherischen Protestantismus, gestand aber die Koexistenz einer katholischen Minderheit zu. Später nahm die Stadt zusätzlich reformierte Glaubensflüchtlinge auf. In der Mitte des 19. Jahrhunderts existierten nicht weniger als sieben große Religionsgemeinschaften mit Tausenden oder zumindestens jeweils mehreren hundert Mitgliedern (Multikonfessionalität), die zugleich verschiedenen „Nationalitäten“ entsprechen konnten. Das Zusammenleben mit den „Fremden“ ist eine jahrhundertealte Herausforderung in dieser Stadt.
Eine weitere Besonderheit ist die kontinuierliche Kette von im Sinne der politischen Partizipation der Bürgergemeinde erfolgreichen Auseinandersetzungen: Im 14. Jahrhundert errangen die Zünfte zum erstenmal das Recht auf Beteiligung am Ratsregiment. Im 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde eine absolute Herrschaft der patrizischen Familien verhindert und am Ende des 18. Jahrhunderts sogar ihr relatives šbergewicht beseitigt. Stattdessen erlangten die nichtpatrizischen Juristen und Kaufleute bereits am Beginn des 18. Jahrhunderts den Zugang zum Rat und errichteten die Kaufleute und Handwerker erfolgreich ein ganzes System von Kontrollinstanzen, die wiederum eine Alleinherrschaft des Rats unterbanden, was in anderen Städten überhaupt erst am Ende des 18. Jahrhunderts versucht wurde. Nach 1800 erweiterte sich sukzessive der Kreis der Berechtigten. Schließlich erlangten 1864 die Juden die vollständige Emanzipation. Es folgte die Formierung der Arbeiterbewegung in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts, ihr Einzug in die Stadtverordnetenversammlung im Jahre 1901 und 1913 schließlich der Zugang zum Magistrat.
Während am Ende des Ancien Régimes zahlreiche deutsche Städte in eine Krise gerieten, ihre ursprüngliche Funktionen in gewerblicher und politischer Hinsicht verloren, prosperierte Frankfurt ununterbrochen. Frankfurt gelang es zudem – neben Krakau – als einziger Stadt im Festlandsinnern, die Selbständigkeit der Reichsstadt in die Souveränität eines freien Stadtstaats hinüberzuretten. Der wirtschaftlich bedingte Reichtum war wiederum Grundlage für das besonders ausgeprägte Mäzenatentum der Stadt und die Entfaltung der Eigeninitiative der Bürger, was in den autonomen Gründungen der zahlreichen Stiftungen, des Theaters, der Vereine und der verschiedenen Museen sowie der einzigartigen Stiftungsuniversität zum Ausdruck kommt. Der Reichtum der Stadt stand auch hinter dem frühen Eisenbahnbau und dem Engagement der Bürger bei der Stadtgestaltung, der Errichtung von repräsentativen Bauten, angefangen bei den Parkanlagen und der Mainuferanlage über den Palmengarten, den Zoo und den Eisernern Steg bis hin zur Oper.
Die Stadt spielte nicht unbedingt den Vorreiter bei der Gewerbemodernisierung. „Fabrikstadt“ im Sinne des Begriffs wurde Frankfurt nie. Dennoch trat es sehr früh mit technischen Innovationen hervor. Die Eisenbahnidee wurde bereits 1833 aufgegriffen und 1839 die erste Linie eröffnet. Dem standen neue Kommunikationstechnologien wie der Telegraph und das Telephon sowie wegbahnende Verbesserungen des Elektromotors zur Seite. In den sechziger Jahren siedelten sich in unmittelbarer Nähe die modernsten Chemiefabriken der Zeit an, und um 1890 wurde in Frankfurt der weltweite Durchbruch für die Elektrotechnik erzielt. In der Diskussion um Gewerbefreiheit spielte seit Beginn des 19. Jahrhunderts das Argument der sozialen und der – bezogen auf das städtische Lebensmilieu – schädlichen Folgelasten der Industrialisierung die zentrale Rolle. Politischer und wirtschaftlicher Wandel verschränkten sich in dieser Zeit in umgekehrter Weise als in den meisten deutschen Territorialstaaten miteinander und zielten auf einen „menschenfreundliche Modernisierung“. Der jahrhundertelange politische Reformprozeß hatte – vermittelt über die entwickelten Partizipationsstrukturen – selbstbewußte bürgerliche Gruppen hervorgebracht, die nicht nur diesen Vorgang als politischen Konflikt sowohl im Stadtparlament als auch in Form von Bürgerbewegungen austrugen. Statt des bürokratischen Staates formierte sich in Frankfurt die „freie Bürgergemeinde zum eigentlichen Motor des Fortschritts, der Emanzipation und eines rational gesteuerten Wandels im Einklang der Interessen aller Betroffenen und Beteiligten“ (Gall).
Der Zusammenhang von Industrialisierung und Aufkommen der Arbeiterbewegung ist evident. Eine Besonderheit der Stadt bestand darin, daß sich beides relativ spät entwickelte. Darüber hinaus ist bemerkenswert, daß die Arbeiterbewegung der neunziger Jahre von Anfang an mit einem umfangreichen Angebot kommunaler Sozialpolitik konfrontiert wurde. Nicht umsonst war das Franfurter Gewerkschaftssekretariat als Adressat dieser Integrationspolitik das größte seiner Art in Deutschland. In diesem Kontext steht auch die Wohnreform mit ihren zahlreichen Aktivitäten vor 1914 und ihrer Fortsetzung im großen Wurf des „Neuen Frankfurt“ unter Ernst May nach 1925.
Aber das wäre eine eindimensionale Sicht der Dinge, eine Betonung allein der fortschrittlichen Seiten und der positiven Momente der Modernisierung. Die Stadt stand nicht nur für wirtschaftliche und politische Liberalität und Toleranz, sondern auch für Beschränkung der Gewerbem”glichkeiten, für Reformverweigerungen und für eine Reihe von Judenpogromen und Diskriminierungen von Fremden bis ins 19. Jahrhundert hinein. Auch wurde die Ansiedlung verschiedenkonfessioneller Gemeinden zwar geduldet, und der damit verbundene wirtschaftliche und kulturelle Fortschritt genutzt, aber die Gleichstellung und Integration erst am Ende des 18. Jahrhunderts angegangen. Die politische Partizipation weist zwar progressive Züge auf, aber jahrhundertelang war ein Großteil selbst der Bürgergemeinde von der Beteiligung an politischen Angelegenheiten ausgeschlossen, und klagten die Gesellen, Arbeiter und das Gesinde und erst recht die Frauen im 19. Jahrhundert vergeblich die politische Anerkennung ein. Nicht umsonst erzielte Lassalle 1863 mit seiner Rede im Saalbau in Frankfurt einen außerordentlichen Erfolg, der direkt seine Parteigründungsabsichten beflügelte. Die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung der neunziger Jahre wurde zwar als sozialpolitischer Gesprächspartner in einem weit größerem Umfang akzeptiert als sonst im Kaiserreich, aber die politische Gleichberechtigung auf kommunaler Ebene, die Senkung des Zensus, um Bürger dieser Stadt werden zu können, enthielt man ihnen genauso vor wie anderenorts. Die Juden bildeten nach 1860 einen integrierten Bevölkerungsteil, der Antisemitismus gewann in dieser Stadt nie die Bedeutung wie in anderen Landesteilen, dennoch brannten auch in Frankfurt 1938 die Synagogen, verlief die Vernichtung der jüdischen Gemeinde parallel zur Vernichtung der Juden in Deutschland.
Nach 1945 führte die Diskussion um einen Neuanfang – symbolisiert in der Paulskirche – zurück zu den Traditionen der Stadt. Gleichzeitig erforderte der Ausbau zu einem modernen Wirtschaftszentrum eine grundlegende Erneuerung der Infrastruktur im gesamten Rhein-Main-Gebiet, ein Ausbau, der nicht ohne Widerspruch blieb. Konsens und Konflikt ziehen sich also bis heute durch die Geschichte der Stadt und sind Kennzeichen ihrer Pluralität.
1. Von der Furt der Franken zur Pfalz der Staufer (ca. 500–1150).
2. Bürgerstadt (ca. 1150–1500)
3. Messestadt (ca. 1150–1800).
4. Fremde und Bürger (ca. 1500–1800).
5. Wahl und Kr”nung (1152–1803)
6. Entgrenzung und Entfestigung: Vom Aufbruch aus der ständischen Welt zur „Hauptstadt der Demokratie“ (1800–1866).
7. Transformation zur Großstadt (1866–1918).
8. „Bollwerk der Demokratie“. Frankfurt in der Zeit der Weimarer Republik (1919–1933).
9. „Stadt des deutschen Handwerks“. Frankfurt in der Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945).
10. Die moderne Großstadt (1945 bis heute).
Als Ausstellungsort steht das repräsentative mit viel Aufwand und unter modernen Gesichtspunkten restaurierte und für längere Zeit als Theater genutzte „Bockenheimer Depot“, das an zentraler Stelle liegt, zur Verfügung. Zur Ausstellung wird ein umfangreicher und reich bebildeter Katalog erscheinen.